Page 6 - Der Krampf
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Der „Krampf“ eine wahre Geschichte!
Hier zählt auch nicht der Ausspruch „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, ihr Leid ist
unteilbar. Manchmal lässt es sich etwas lindern und seit einigen Jahren helfen Me-
dikamente ihren Zustand stabil zu halten. Nach meinen Berechnungen warte ich
nun bereits vier Stunden. Die ersten leisen Zweifel kommen in mir hoch. Dieses Ge-
fühl kann man nicht genau beschreiben, es beginnt mit einer verstärkten Unruhe.
Bei mir beginnt sich der Darm bemerkbar zu machen. Ich denke nun intensiver
über die Möglichkeiten nach, die ich habe, um an eine aktuellere Information zu
gelangen. Ich versuche es mit der Rufanlage in die Intensivstation. Nach kurzer Zeit
fragt eine männliche Stimme nach meinen Wünschen. Die Antwort auf meine Frage
war kurz. Reinhard ist noch nicht eingelangt. Dies war keine gute, aber auch kei-
ne schlechte Nachricht. Ich erinnere mich daran, dass Hr. Doc. Dr. B. mir bei den
Besprechungen vor der Operation erklärte, er sei auf jeden Fall dabei und würde
mich verständigen. Da ich mit ihm ausmachte wo ich auf eine Verständigung warten
würde muss ich nun weiter warten. Logischerweise kommen auch die ersten Zweifel
auf, ob die Sache nicht doch mit zu vielen Risiken verbunden war. Das bestimmte
„Was ist wenn..“ taucht in den Gedanken immer wieder auf. Der Aufzug fährt auch
immer weniger vorbei, und bleibt noch weniger im elften Stock stehen. Ich ziehe wie-
der einmal meine kleinen Runden, als der Aufzug doch wieder einmal stehen bleibt.
Am nächsten Tag gingen wir alle am Nachmittag zur Besuchszeit ins Spital. Es
war Freitag und damals mussten die Besuchszeiten noch strikt eingehalten wer-
den. Vormittag hatte ich angerufen und mich über den Zustand Reinhards erkun-
digt. Der Arzt hatte keine Zeit für eine telefonische Auskunft, aber die Schwester
meinte Reinhard ginge es gut. Er war in einem Zimmer mit sieben anderen Kin-
dern untergebracht. Sie waren alle im Alter von fünf bis zwölf Jahre, Sie hatten
die unterschiedlichsten Krankheiten, Blindarm, Mandeln oder lagen einfach zur
Beobachtung hier. Die Freude war groß, als wir unseren Buben unversehrt vor
uns sahen. Er legte sofort los mit seinen Erlebnissen, es dauerte lange bis er
sich beruhigte. Für mich war es nun an der Zeit den diensthabenden Arzt aufzu-
suchen und mich über den Zustand Reinhards zu erkundigen. Viel konnte dieser
nicht sagen, er vertröstete mich auf die nächste Woche, denn es seien eine Menge
Untersuchungen zu machen. Im speziellen sehe sein EEG nicht gut aus. Er be-
käme nun Tabletten und alles weitere nach den Untersuchungen. Wir machten
noch die so genannte Anamnese, eine Vorgeschichte mit allen Dingen die medi-
zinisch wichtig sein könnten für eine nachfolgende Therapie. Es stellte sich nach
allen Tests und Untersuchungen heraus, dass es ein zerebraler Krampfzustand
war, dieser dauerte fast 31/2 Stunden. Im CT konnte nichts anormales festge-
stellt werden. Das Wort Epilepsie wurde nicht erwähnt. Reinhard fragte am er-
sten Tag wann er nach Hause darf und weinte bitterlich als er erfuhr, dass wir
es nicht wissen. Die Trennung fiel uns allen sehr schwer, am schlimmsten traf es
die Mutter. Ohne Ihren Sohn war es nur das halbe Leben. Dieser Zustand dau-
erte 9 Tage. Wir bekamen kurzfristig einen Termin bei einer Spitals-Psychologin.
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